Research Report (Note) – Advanced Blockchain AG - 14.11.2025
Advanced Blockchain 2.0
Jüngst hat die Advanced Blockchain AG ihr neues Strategiepapier zur ABAG 2.0 vorgestellt. Die vorgelegte strategische Neuausrichtung der Advanced Blockchain AG verfolgt das Ziel, das bislang stark opportunistische und inkubationsgetriebene Geschäftsmodell in ein planbares, kapitalmarktfähiges und mehrfach diversifiziertes Plattformmodell zu überführen. Ausgangspunkt ist die selbstkritische Analyse der Phase ABAG 1.0, in der rasches Wachstum, eine Vielzahl von Gesellschaften und ein hoher Anteil illiquider, teilweise tokenbasierter Engagements zu einer Komplexität geführt hatten, die mit einem sehr kleinen späteren Kernteam nicht mehr steuerbar war. Hinzu kamen in dieser Phase aus Anlegersicht belastende Punkte wie unzureichende Transparenz, verspätete oder aufwändige Berichterstattung und eine zu hohe Abhängigkeit von Marktfenstern, also von Zeitpunkten, in denen Token oder Beteiligungen tatsächlich liquidierbar waren. Die neue Strategie setzt genau hier an und will Ertrag, Bilanzqualität und Governance gleichzeitig adressieren.
Kern der strategischen Planung ist der Aufbau einer klar strukturierten Plattformarchitektur mit fünf voneinander abgegrenzten, jedoch inhaltlich eng verzahnten Säulen. Die erste und zugleich sichtbarste Säule bildet die Treasury-Ausrichtung. Sie soll eine bilanzielle Basis schaffen, die auf einer strategischen Bitcoin-Reserve, ergänzt um eine selektive Ethereum-Komponente, aufbaut. Diese Reserve erfüllt eine doppelte Funktion. Zum einen entsteht dadurch ein on-chain verifizierbarer Vermögenswert, der gegenüber Investoren transparent und glaubwürdig kommuniziert werden kann. Neben Bitcoin können auch andere Token als verifizierbare Reserven eingesetzt werden. Zum anderen fungiert ABAG als börsennotierter Proxy für institutionelle Anleger, die aufgrund regulatorischer, steuerlicher oder verwahrungstechnischer Restriktionen nicht direkt in Spot-Bitcoin investieren dürfen. Damit adressiert die Gesellschaft ein in Europa bislang unterversorgtes Marktsegment und positioniert sich in einer entstehenden Nische, in der derzeit nur wenige börsennotierte „Bitcoin-Reserve“-Unternehmen tätig sind. Gleichzeitig eröffnet diese Struktur die Möglichkeit, kapitalmarktorientierte Instrumente wie niedrig verzinste Wandelanleihen zu begeben und die so eingeworbenen Mittel wiederum in die Reserve zu reinvestieren. Die Planung beschreibt diesen Mechanismus als Flywheel-Effekt: Mehr Bitcoin führen zu größerem Investoreninteresse und einem höheren impliziten Unternehmenswert. Der gestiegene Wert verbessert die Emissionskonditionen, wodurch zusätzliche Reserven aufgebaut werden können. Flankiert wird die Treasury-Strategie durch ein regimebasiertes Steuerungsmodell, das Marktphasen in bullische, seitwärts gerichtete und bärische Szenarien unterteilt und für jede Phase definierte Allokations- und Absicherungsmaßnahmen vorsieht. Dieses Framework dient primär der Risikoreduktion. Über die vereinfachte Darstellung im Strategiepapier hinaus arbeitet das Unternehmen an einem erweiterten internen Modell mit feineren Teilregimen und automatisierten Signalschwellen, das vor der operativen Einführung einem umfassenden Backtesting unterzogen wird. Ziel ist es, auch in Schwächephasen keine Bestände liquidieren zu müssen, sondern über strukturierte Instrumente wie Covered Calls oder konservative Lending-Ansätze laufende Erträge zu generieren und so die Volatilität des Treasury-Ergebnisses zu glätten.
Die zweite Säule ist die Investment Plattform. Der Investmentarm konzentriert sich künftig auf Token-basierte Investments, sowohl liquide Tokens als auch SAFT-Strukturen. Klassische Equity-Beteiligungen werden nur in Ausnahmefällen („Edge Cases“) eingegangen. Genannt werden unter anderem DePIN und robotiknahe Infrastrukturen, die Schnittstelle zwischen künstlicher Intelligenz und Blockchain, tokenisierte Real World Assets sowie Interoperabilitäts und Infrastrukturlayer. Charakteristisch ist hier der Vorrang von Token und SAFT Strukturen gegenüber klassischem Equity, weil diese in der Regel einen schnelleren Kapitalrückfluss erlauben und damit das Portfoliorisiko senken. Mittel bis langfristig sieht die Planung die Auflage vertikaler Spezialfonds vor. Damit würde ABAG einen Teil der Wertschöpfung vom eigenen Bilanzrisiko entkoppeln und Managementgebühren als wiederkehrende Ertragsquelle etablieren. Für einen Small Cap im Blockchain Segment wäre dies ein deutlich reiferer Ertragsmix als bislang.
Die dritte Säule betrifft Innovation. Die Gesellschaft erkennt an, dass die frühere Form der eigenen Inkubation mit hohen Vorlaufkosten, großem Entwicklerstamm und langen Amortisationszeiten in einem schwankenden Markt nicht dauerhaft finanzierbar ist. Stattdessen soll Innovationszugang über bestehende Accelerator Programme, Grants und Ökosystem-Partnerschaften hergestellt werden. ABAG beteiligt sich aktiv am Deal-Sourcing der Programme, indem sie eigene Investment-Opportunitäten einbringt und zugleich vom Dealflow der Partner profitiert, wodurch eine wechselseitig fördernde Deal-Sourcing-Struktur entsteht. Der Zugang bleibt damit erhalten, die Kapitalintensität sinkt. Dieses Element ist wichtig, weil es die Pipeline für die Investment Säule speist, ohne die Bilanz aufzublähen.
Die vierte Säule ist die Beratung für vermögende Privatstrukturen und Family Offices. Die Strategie unterstellt, dass die Akzeptanz digitaler Assets in diesem Segment inzwischen deutlich gestiegen ist, dass jedoch vielfach operative Kompetenz, Tooling und Governance fehlen. ABAG will diese Lücke füllen, indem sie beim Aufbau von Custody Strukturen, bei der Auswahl sicherer Yield Strategien wie Staking, Restaking oder besichertes Lending und bei der laufenden Portfolioüberwachung unterstützt. Der entscheidende Punkt ist, dass diese Leistungen unabhängig von Token Kursen vergütet werden können und sich damit gut als wiederkehrende Komponente im Ergebnis etablieren lassen. Gleichzeitig entsteht ein Kreis potenzieller Co-Investoren für künftige Fonds oder Direkttransaktionen.
Die fünfte Säule ist eine Analytics beziehungsweise Data Infrastruktur, die unter ABX Analytics bereits konzipiert wurde. Die Analytics-Plattform versorgt alle Geschäftssäulen mit standardisierten Due-Diligence-Prozessen, Daten zu Finanzierungsrunden sowie Projekt- und Marktvergleichen. Sie ist ein zentrales Querschnittselement, das fundierte Entscheidungen in allen Bereichen unterstützt. Darüber hinaus sieht die Planung vor, diese Plattform auch extern zu monetarisieren, etwa in Form von Abonnements oder API Zugriffen.
Die dargestellte Zeitplanung 2026 bis 2028 übersetzt die strategische Architektur von ABAG 2.0 in eine Sequenz konkreter, kapitalmarktrelevanter Meilensteine. Zunächst sollen Bilanz und Organisation stabilisiert, die Treasury Position ausgebaut, der Anteil liquider Assets erhöht und die Beratungseinheit operativ an den Start gebracht werden. Parallel dazu ist die Fertigstellung von PoC (Proof of Concept) und MVP (Minimum Viable Product) der Analytics Plattform vorgesehen, allerdings ausdrücklich mit Verweis auf vorab identifizierte institutionelle Pilotkunden. Die geplante Vereinfachung der Gruppenstruktur in derselben Phase ist zwingend, weil nur ein verschlanktes Set an Rechtsträgern ein standardisiertes Reporting und damit die später vorgesehenen Kapitalmarkttransaktionen technisch sauber ermöglicht.
Im Jahr 2027 verschiebt sich der Schwerpunkt der Planung erkennbar von Aufbau und Test in Richtung Skalierung. Vorgesehen ist der erste marktfähige Bitcoin bezogene Produktbaustein, flankiert von möglichen weiteren Kapitalmarktmaßnahmen. Gleichzeitig sollen Investment und Consulting Säule nicht mehr nur punktuell, sondern mit aktiver Portfoliosteuerung und Konversion früher Mandate in wiederkehrende Engagements arbeiten. In dieser Phase wird auch die Beta Version von ABX Analytics erwartet, was aus Research Sicht den Übergang vom internen Enablement zum extern vermarktbaren Produkt markiert. Besonders hervorzuheben ist die Platzierung eines ersten spezialisierten Investmentfonds. Gelingt dieser Schritt, hätte ABAG erstmals eine strukturierte, management-fee-fähige Ertragsquelle, die nicht an eigene Bilanzmittel gebunden ist und die Attraktivität der Plattform gegenüber institutionellen Investoren erhöht.
Für 2028 zeichnet die Planung das Bild einer vollständig entwickelten und operativ konsolidierten Plattform. Vorgesehen ist die Einführung eines zweiten, also replizierten Bitcoin-Produkts, die fortgesetzte Nutzung kapitalmarktorientierter Finanzierungsinstrumente, ein breit diversifiziertes Portfolio über alle definierten Vertikalen hinweg sowie eine institutionalisierte Analytics-Einheit mit internationaler Kundenbasis. Damit etabliert ABAG ein bear-market-resilientes Geschäftsmodell mit stabilen, über alle fünf Säulen verteilten wiederkehrenden Erträgen. In dieser Endstufe beschreibt die Planung ABAG als hybrides Institut zwischen Investmenthaus und datengetriebener Finanzplattform, das sowohl die Innovationszyklen der Blockchain Ökonomie bedienen als auch in die Sprache und Prozesse traditioneller Kapitalmarktteilnehmer übersetzen kann. Die Stufen bauen aufeinander auf. Jede spätere Stufe setzt die erfolgreiche Umsetzung der vorherigen voraus. Ohne vereinfachte Struktur und belastbares Reporting lassen sich keine konvertiblen Instrumente platzieren. Ohne erste zahlende Mandate in der Beratung und ohne funktionierende Analytics Piloten lässt sich die Story eines wiederkehrenden, nicht nur marktzyklischen Geschäfts nicht glaubhaft erzählen. Positiv ist, dass die Planung diese Abhängigkeiten implizit berücksichtigt und keine sprunghaften Umsatzsprünge unterstellt, sondern ein sequenzielles Hochfahren, das an überprüfbaren Zwischenschritten aufgehängt ist.
In der Bewertung dieser Strategie fällt zunächst positiv auf, dass sie die Schwächen der Vergangenheit sehr direkt adressiert. Fehlende wiederkehrende Erlöse werden durch Beratungsmandate, künftige Fondsgebühren, Treasury-Monetarisierung und Subscription-Fees aus der ABX Analytics-Plattform ersetzt. Die komplexe Struktur soll durch klar definierte Säulen ersetzt werden. Das bilanzielle Risiko eigener Projekte wird durch eine Hinwendung zu externen Programmen entschärft. Auch der Kapitalmarktbezug ist klarer als zuvor. Eine börsennotierte Gesellschaft, die ihre digitalen Reserven laufend on chain nachweist, die Unternehmensentwicklung über Governance und Reporting diszipliniert und die ein erkennbares, übertragbares Modell zur Treasury Steuerung besitzt, ist für Investoren deutlich einfacher zu bewerten als eine Mischung aus vielen kleinen, schwer einschätzbaren Ventures.
Aus unserer Sicht lässt sich festhalten, dass die Strategie konzeptionell stimmig ist, weil sie die zyklische Natur von Krypto annimmt, sie aber operational abfedern will. Sie verbindet ein am Markt bekanntes und akzeptiertes Narrativ, nämlich die Koppelung des Aktienkurses an eine wachsende Bitcoin Reserve, mit Elementen, die typischerweise zu höheren Multiples führen, nämlich wiederkehrende Beratungs- und Plattformerlöse. Die offenen Punkte liegen nicht im Konzept, sondern in der Beweisführung. Entscheidend wird sein, ob die Gesellschaft kurzfristig erste sichtbare Erfolg auf der Zeitplanung verzeichnet und ob externe, nicht konzernnahe Kunde für die Beratungs- oder Analytics Schiene gewonnen werden können.